Die alte Säule - Ein letzter Stand der Dinge
Eine Allegorie auf das Älter werden
31.10.2024 11 min
Zusammenfassung & Show Notes
In dieser Episode von *Der Schalltrichter* entfaltet Thomas Speck eine kraftvolle Allegorie auf das Älterwerden – verkörpert durch eine alte, verwitterte Säule, die einst Tempel trug und das Gewicht der Welt stützte. Heute steht sie jedoch einsam in einer überholten Landschaft, umgeben von Moos und Vergessenheit.
Thomas nimmt uns mit auf eine Reise durch die Vergangenheit dieser Säule, die gleichzeitig das Leben eines Menschen widerspiegelt, der einst eine zentrale Rolle spielte, doch nun mit dem unausweichlichen Verfall und dem Verlust seiner früheren Bedeutung kämpft. Mit scharfsinniger Ironie und einem Hauch von Melancholie erkundet er die Herausforderungen des Alterns, die Einsamkeit, die entsteht, wenn die Welt sich immer schneller dreht und keinen Platz mehr für die alten Geschichten hat.
Inmitten der verfallenen Überreste von Ruhm und Bedeutung sucht die Säule – und damit der Mensch – nach einem Sinn in einer Welt, die sich verändert hat. Thomas lädt seine Hörer ein, über die stille Kraft nachzudenken, die in den Überbleibseln des Vergangenen steckt, und erinnert uns daran, dass auch im scheinbar Unbrauchbaren ein tiefer Wert und eine ungehörte Weisheit liegen können.
Diese Episode ist ein stiller Appell, sich Zeit zu nehmen, um zu hören, was das Leben der Alten uns noch zu erzählen hat, bevor ihre Geschichten im Lärm der Moderne verloren gehen.
Thomas nimmt uns mit auf eine Reise durch die Vergangenheit dieser Säule, die gleichzeitig das Leben eines Menschen widerspiegelt, der einst eine zentrale Rolle spielte, doch nun mit dem unausweichlichen Verfall und dem Verlust seiner früheren Bedeutung kämpft. Mit scharfsinniger Ironie und einem Hauch von Melancholie erkundet er die Herausforderungen des Alterns, die Einsamkeit, die entsteht, wenn die Welt sich immer schneller dreht und keinen Platz mehr für die alten Geschichten hat.
Inmitten der verfallenen Überreste von Ruhm und Bedeutung sucht die Säule – und damit der Mensch – nach einem Sinn in einer Welt, die sich verändert hat. Thomas lädt seine Hörer ein, über die stille Kraft nachzudenken, die in den Überbleibseln des Vergangenen steckt, und erinnert uns daran, dass auch im scheinbar Unbrauchbaren ein tiefer Wert und eine ungehörte Weisheit liegen können.
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Transkript
>> Thomas Speck: Ich bin eine Säule. Thorisch,
ionisch. Wer zur Hölle weiß das schon?
Eigentlich spielt es keine Rolle, denn die
Zeiten, in denen solche Details Bedeutung
hatten, sind lange vorbei. Aber
es muss ja alles in Schubladen gepackt werden.
Dieser hilflose Versuch, Ordnung zu
schaffen, selbst über die Zeit.
Also, wenn's hilft, ich bin wohl am ehesten eine
kubische Säule.
Rechteckig, solide,
funktional, ohne großen
Schnickschnack. Eine Säule für
Pragmatiker.
Der Schalttrichter.
Alltagsironie trifft Tiefsinn.
>> Thomas Speck: Von und mit eurem man im Black des
Alltags. Thomas Speck.
Aber stütze ich irgendetwas?
Einen Tempel, einen Palast, vielleicht sogar
das Gewicht der Welt?
Nein. Da ist kein Dach mehr
über mir, keine Last, die meine
Existenz rechtfertigt.
>> Thomas Speck: Keine Giebel, die meinen Beistand
erfordern. Ich stehe
hier allein, mitten in einer
grasigen Landschaft, als wäre ich ein verlorenes
Kind der Antike, das nicht ganz weiß, wohin
es gehört. Mein
Sockel. Ja, den gibt es noch. Tief im
Boden hat Moos angesetzt, ein grüner
Pelz, der meinen einstigen Stolz
verdeckt. Die Inschrift, die mich einst
erhob, ist längst verschwunden.
Herausgehauen vielleicht, oder einfach erodiert
von den Jahrhunderten. Mein
Kapitell, das ich einst so stolz tragen durfte, hat
sich ein Mann geholt als Grundstein für
sein Haus. Die Balken, die ich trug, ja
selbst die anderen Säulen. Menschen kamen und
Namen. Selbstgevatter Tod holte sich hier
das eine oder andere Leben.
>> Thomas Speck: Nun, das ist lange her.
Was übrigblieb, das bin ich. Ein
massives, abgebrochenes Stück
Stein. Ein Fundstück, würde der
Archäologe sagen, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob er
dabei enttäuscht oder begeistert klingen
würde. Ich bin kaum mehr als ein
Überbleibsel, ein Fragment, ein stummer Zeuge
einer längst vergangenen Zeit.
Keine Funktion, kein Ruhm,
keine Bedeutung. Außer vielleicht in den Augen
jener, die in Ruinen Schönheit sehen, die
Rätsel lieben und im Verfall die wahre Natur
der Dinge erkennen. Aber das ist wohl zu
viel der Poesie für einen alten, kantigen
Klotz wie mich
damals. Dieses öde Wort,
das heute nur ein Verschließen der Ohren
bewirkt. Also, damals hatte ich
noch eine Rolle, eine Bedeutung.
Ich war nicht nur einfach ein Stück Stein in der
Landschaft, sondern eine Säule.
Eine Säule der Gemeinschaft, eine Stütze für
Familie, Freunde und Gesellschaft. Ich
trug Verantwortung auf meinen Schultern. Und diese
Verantwortung gab mir Halt, machte
mich wichtig, gab mir einen
Zweck, meine Kraft und Position,
stützte ein Heim für Generationen.
>> Thomas Speck: Natürlich, ich war kantig, fest in meinen
Überzeugungen. Und manchmal vielleicht etwas, nun,
sagen wir stur. Aber
wer war das nicht zu meiner Zeit?
Man brauchte eine gewisse Härte, um das Gewicht der Welt
zu tragen. Mein kubisches Wesen,
dieser rechteckige Pragmatismus, war keine
Schwäche. Es war die Basis, auf der alles
andere ruhte. Heute bin
ich nur noch ein klobiger, bröckelnder Klotz,
der in einer Welt steht, die seine Dienste nicht
mehr braucht. Die Zeit selbst hat
sich verändert. Es gibt keine Tempel mehr zu
stützen, keine Dächer, die meine Kraft
verlangen. Und so stehe ich hier,
ein Sinnbild für eine Zeit, in der meine
Beharrlichkeit noch als Stärke galt.
Ja, wo mein Widerstand gegen das Wandelbare
und Flüchtige als Beständigkeit bewundert
wurde. Es ist schade,
wirklich. Man sieht nur noch den
ungehobelten Klotz, nicht mehr die Säule, die
ich einmal war. Dabei war mein Kubismus
damals vonnöten. In einer Welt voller
Unsicherheiten war ich der Fels in der
Brandung. Und nun, jetzt wird
meine Standhaftigkeit als Starrsinn
verurteilt, meine klare Kante als
rückständig belächelt. Heute
bin ich nur ein Relikt, ein Stück
archäologisches Geröll, das höchstens ein paar
Gelehrte mit allerlei Gerät
bestaunen.
Vor äonenlanger Zeit war ich nur ein Teil im
Fleisch der Berge, ein unscheinbares
Fragment im Bauch der Erde, formlos
und unbewusst meiner selbst. Ich
ruhte in der Dunkelheit, ein winziger Splitter in
einem massiven Fels und ohne Richtung, ohne
Bedeutung. Und dann kamen
sie, eure Vorfahren.
Männer von Stand, angesehene Handwerker
und Visionäre ihrer Zeit. Mit
kräftigen Schlägen und präzisen Schnitten holten
sie mich aus dem Fels, brachten mich ans
Licht. Das war meine Geburt.
Der Moment, in dem ich aus einer formlosen
Maße herausgelöst und in etwas Bedeutendes
verwandelt wurde. Diese Männer,
die Meister ihres Handwerks, gaben mir eine
Gestalt, die der Zeit und den Bedürfnissen
entsprach. Sie schufen mich nicht aus einer Laune
oder Zufall, sondern mit Bedacht.
Jede Kante, jede Linie diente einem
Zweck, entsprang einer Notwendigkeit.
Ich wurde so, wie ich bin, weil es nötig war,
genau das zu sein. Meine
kubische Form, mein fester Stand. All
das war nicht nur ästhetische Wahl, sondern
ein Erfordernis. Eine Säule, die etwas
tragen musste, einen Tempel. Vielleicht so
stark, dass sie selbst den Himmel tragen konnte.
Und oh, wie stolz war ich darauf, meine
Aufgaben zu erfüllen. Ich stand
aufrecht, unerschütterlich, eine
Stütze, ein Fundament für all das, was auf mir
ruhte. Meine Aufgabe war
klar, mein Dasein voller Bedeutung. Und
ich erfüllte es mit einer Hingabe, die mich noch
heute durchströmt. Denn in diesen
Momenten der Stabilität, der Sicherheit, die ich
bot, lag der Kern meiner
Existenz. Ich war nicht nur
ein Stück Stein. Ich war die Basis,
der Halt, das Unerschütterliche.
Doch wie die Zeiten sich ändern, zweitausendein, so hat sich auch
mein Zweck gewandelt. Aber das Fundament
meiner Entstehung bleibt in mir
verwurzelt. Ich mag nun als ein
abgebrochenes Fragment in der Landschaft stehen,
von Moos bedeckt und von der Zeit gezeichnet.
Aber die Erinnerung an meine einstige Aufgabe,
an die Notwendigkeit meiner Form, bleibt
ungebrochen in mir. Denn ich wurde, was ich
war, weil die Welt es damals
verlangte. Und das, mein Freund,
ist etwas, worauf ich auch heute noch stolz
bin. Und so stehe ich hier
fest, verwurzelt in der Erde, während die Welt um
mich herum in einem schwindelerregenden Tempo
weiterzieht. Ich spüre den dringenden
Wunsch, gehört zu werden. Denn in mir liegt eine
Fülle an Geschichten, Weisheiten und
Erfahrungen, die es wert wären, geteilt zu
werden. Doch alles, was ich
finde, ist steinernes Schweigen.
Die Welt hat sich verändert, schneller, als ich es
je erwartet hätte. Niemand hat mehr die
Zeit oder das Interesse, den alten Geschichten zu
lauschen. Ich sehne mich
danach, verstanden zu werden. Wie soll
ich, dieser alte Stein, mich noch bewegen,
wenn alles so rasant an mir vorbeizieht?
Ich würde mich gern ein wenig anpassen, würde meine Ecken
abschleifen, mich in eine neue Form pressen, die die
Welt verlangt. Doch das braucht seine Zeit.
Zeit, die in dieser neuen, rastlosen
Ungeduld verloren geht.
Wo einst mein Dasein seinen Zweck erfüllte,
bin ich heute bloß ein Stein, der nicht in den
neuen Zeitgeist passen kann.
Doch wehe dem, der versucht, mich gewaltsam rund
zu feilen. Ich mag alt sein,
abgebrochen und mit Moos bewachsen, aber in mir
steckt noch immer der Geist der alten Tage.
Der Geist, der sich nicht so schnell anpasst, sondern
aufrecht stehen bleibt, auch wenn es kaum jemand
mehr zu schätzen weiß. Ach, wenn ihr
nur hören könntet, was ich flüstere. Tief in
meinem Inneren und unter all den Schichten von Moos und
vergangener Zeit ist noch immer die Stimme von
damals. Sie ist nicht laut
und aufdringlich, aber sie trägt das Wissen
von ungezählten Jahren, das Echo einer
Epoche, die längst vorbei ist. Doch
um sie zu hören, bräuchtet ihr Stille in
euch. Eine Stille, die es
erlaubt, sich auf das Wesentliche zu besinnen,
auf die feinen Nuancen des Lebens, die sich nicht in
der Hektik finden lassen. Zweitausendein, aber
diese Stille habt ihr nicht mehr. Ihr seid
zu beschäftigt mit dem Lärm, dem
Rauschen, dem immer weiter und
höher. Ihr habt keine Zeit mehr für
ein stilles Gespräch. Und so
bleibt meine Stimme ungehört, mein Flüstern
im Wind verloren.
Ich, dieser alte, abgebrochene Stein,
stehe hier und warte
auf einen Moment der Stille. Auf
jemanden, der sich die Zeit nimmt, um zu
hören. Bis dahin bleibe
ich, wie ich bin, ein Relikt einer anderen
Zeit, dessen Geschichten in der Stille der
Ewigkeit verhallen.
Danke fürs Zuhören. Denk
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Bis nächste Woche. Same time,
zamestation, euer Thomas.