Der Schalltrichter

Thomas Speck

Frau Doktor – Adel auf Rezept

Als Titel durch Heirat erworben wurden

12.12.2024 16 min

Zusammenfassung & Show Notes

In dieser Episode nimmt Thomas uns mit auf eine Reise in die vergangene Dorfidylle, in der die "Frau Doktor" nicht nur die Gattin des einzigen Arztes war, sondern eine wahre Institution. Mit einer Mischung aus Nostalgie und scharfem Spott beschreibt er, wie sich der Doktortitel durch die Heirat automatisch auf die Ehefrau übertrug – als wäre er eine Auszeichnung, die man bei der Hochzeit auf dem Silbertablett serviert bekam. Die „Frau Doktor“ marschierte durchs Dorf, als gehöre ihr der Dorfplatz und die Ladenbesitzerin hielt nervös die Luft an, während sie über die Frische der Butter urteilt.

Doch so mächtig die „Frau Doktor“ auch einst war, so unaufhaltsam fraß sich der Fortschritt durch die Dorfruhe und ließ ihren Glanz verblassen. Ein frischer Wind zog ins Dorf: ein neuer Arzt samt moderner Frau, die sich weigerte, den traditionellen Titel anzunehmen – ein Skandal sondergleichen! Plötzlich wollten die Bäuerinnen und Metzgerinnen nicht mehr mit ihren Ehemännern in einen Titelzwang geraten, und die Zeit der „Frau Doktor“ schien endgültig vorbei zu sein.

Mit satirischem Biss und bittersüßer Ironie entlarvt Thomas die Scheinheiligkeit von gesellschaftlichen Rollenbildern, die einst auf Titeln, aber nicht auf Taten basierten. Ein scharfzüngiger Kommentar über vergangene Dorfordnungen und die ewige Frage: „Was bleibt, wenn der Titel verblasst?“

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Danke! Euer Thomas

Transkript

>> Thomas Speck: Ich mag Podcasts nicht, die mich direkt mit Hey, abonnier mich überfallen. Keine Sorge, so läuft das hier nicht. Ich fange erstmal an und du entscheidest am Ende selbst, ob das Ganze gut genug war. Wie Frau Dr. Immer sagt, erst die Untersuchung, dann die Medikation. Und falls du für die Unterhaltung einen Kaffee spendieren willst, der Link dazu steht in der Beschreibung oder auf meiner Website. Los geht's. Gehen wir einmal etwas in der Zeit zurück, als der Feminismus noch ganz andere Auswirkungen hatte, als es heute der Fall ist. In die gute alte Zeit, als Frau Dr. Zu sein ein Karrieresprung war, der durch die Heirat mit einem approbierten Herrn ermöglicht wurde. Man heiratete nicht nur einen Mann, sondern einen akademischen Grad, sozusagen eine Promotion durch Vermählung. Der Schalttrichter Alltagsironie trifft Tiefsinn von und mit eurem Man im Black des Alltags. Thomas Speck in diesem idyllischen Dorf, wo ich aufwuchs und das so konservativ war, dass der Fortschritt sich beim Anblick der Kopfsteinpflasterstraße dreimal überlegte, ob er hier wirklich lang gehen sollte, lebte besagte Frau Dr. Sie war die Gattin des einzigen Arztes weit und breit und genoss das Prestige ihrer Anrede in vollen Zügen. Die gute Frau Dr. Hatte ihre Rolle voll und ganz verinnerlicht. >> Thomas Speck: Zweitausendein. >> Thomas Speck: Jeden Mittwoch um drei war Visite, da durchschritt sie in hochgekrempeltem Kaschmir und frisch frisiert den Dorfplatz auf dem Weg zum Tante Emma Laden. Ihr Rücken, gerader als ein Besenstiel, stolzierte sie einher, als sei sie auf einer Audienz beim Kaiser höchstpersönlich. Die Dorfbewohner, die ihre Besorgungen tätigten, verneigten sich in geducktem Respekt. >> Thomas Speck: Zweitausendein. >> Thomas Speck: Manche aus Gewohnheit, andere aus Sorge, von Frau Dr. Abgemahnt zu werden, wenn sie beim nächsten Wehwehchen beim Herrn Dr. Vorstellig wurden. Denn sie hatte sich quasi zur inoffiziellen Empfangsdame der Dorfmedizin ernannt. Jeder, der eine Sprechstunde wollte, musste erst an ihr vorbei. Ja, grüß Gott, die Frau Anna vom Buchnerhof. Was ist es denn diesmal? Wieder der Ischias? Ja, Frau Dr. Der zieht wieder bis in die Zehen. Ja, dann muss der Herr Dr. Ihnen wohl ein neues Rezept ausschreiben. Aber nicht, dass sie die Tropfen mit Schnaps runterspülen, wie beim letzten mal. Frau Dr. War eine Institution im Dorf, nicht nur als Gattin des Arztes, sondern als Verkörperung von Respekt und Autorität. Wenn sie beim Tante Emma Laden einkaufen ging, war das weniger eine alltägliche Besorgung, als vielmehr eine öffentliche Inspektion. Die Ladenbesitzerin Frau List, warf jedes Mal hektisch noch ein paar Staubwedel hinter die Regale, sobald das goldene Türklöckchen klirrte und Frau Dr. In majestätischer Haltung den Raum betrat. Es hieß, sie könne mit einem einzigen Blick erkennen, ob die Ware frisch war oder. Oder ob die Tomaten schon gestern hätten geliefert werden müssen. Ach, Frau Dr. Da sind sie ja wieder. Frisches Brot ist heute gekommen, vom Bäcker in der Stadt. Ganz fein gemahlenes Mehl. Sie werden begeistert sein, Fräulein List. Wissen sie, der Herr Dr. Und ich legen besonderen Wert auf unser Frühstück. Schauen sie bitte, dass die Butter dieses Mal nicht so schmierig ist wie letzte Woche. Ja, natürlich, Frau Dr. Selbstverständlich. Ich packe ihnen gleich dies beste ein, Ÿousand. Die anderen Dorfbewohner, die gerade im Laden standen, hielten natürlich den Atem an. Niemand wollte ihr ins Gehege kommen, während sie ihren Einkauf tätigte. Die Weiber vom Stiegl Bauernhof flüsterten leise untereinander hast du's gehört? Schmierig hat sie gesagt. Die Butter war ihr zu fettig. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Und für die nächsten Wochen war die Butterauswahl im Laden ein hochkritischer gesellschaftlicher Punkt für Klatsch und Tratsch. Auch wir Kinder standen vor ihr, als hätte uns der heilige Geist höchstpersönlich aufgerichtet. Frau Dr. War nicht einfach eine erwachsene Person. Sie war fast so einschüchternd wie der Herr Pfarrer, wenn er bei der Beichte unseren Fleiß in der Schule hinterfragte. Wenn sie uns auf dem Schulweg begegnete, hielten wir die Luft an, bis sie vorbeigeschritten war. Und wehe sie na, wie schaut's denn mit den Hausaufgaben aus, Thomas? Dann stammelten wir zusammenhanglose Entschuldigungen, als wären wir zu einem mündlichen Examen geladen. Schließlich kannte sie jeden Lehrer in der Schule und die meisten Lehrerinnen trafen sich mit ihr im örtlichen Kaffeehaus zu einem Schmuckenkränzchen, einmal die Woche. Und da sie, die Familie Dr. Mit der Direktorin der Schule bestens befreundet waren, konnte man sich sicher sein, dass Frau Dr. Genauestens Bescheid wusste über meine Schulaufgaben. Die Direktorin mussten wir übrigens Frau Professor nennen. Ihr Mann war schließlich einer an der Universität in der Stadt. Keiner von uns hätte es gewagt, Frau Dr. Auch nur den Hauch von Unhöflichkeit zu zeigen. >> Thomas Speck: Zweitausendein. >> Thomas Speck: Es hieß sogar, der alte George habe einmal seinen Hut nur halbherzig gelüftet, als er an ihm vorüberschwebte und prompt am nächsten Tag einen Hexenschuss bekommen. Nun, die Götter wussten eben wie man Respektlosigkeit bestrafte. Das machte sie für uns noch viel unheimlicher. Besonders in der Kirche spielte Frau Dr. Ihre Rolle in voller Pracht aus. Während der Herr Pfarrer mit donnernder Stimme seine Predigt hielt, saß sie stets in der ersten Reihe, kerzengerade, als sei ihre Sitzhaltung ein Zeichen für die Moral des gesamten Dorfes. Die Hände gefaltet im Schoß, der Kopf erhoben, fixierte sie die Kanzel mit einem durchdringenden Blick, als wollte sie sicherstellen, dass der Pfarrer keine theologischen Fehltritte beging. Jede Silbe, die aus seinem Mund kam, schien durch den strengen Filter ihrer Erwartungen zu laufen. Und wenn der Herr Pfarrer einmal zu lange über die Vergebung der Sünden sprach, was ja implizit bedeutete, dass jemand im Torf gesündigt hätte, zog sie leicht die Augenbrauen hoch, als wollte sie damit klarmachen, dass so viel Nachsicht bei bestimmten Gemeindemitgliedern durchaus unangebracht wäre. Wir Kinder betrachteten sie dabei mit Ehrfurcht. Niemand im Dorf wagte es, so aufrichtig zu sitzen wie Frau Dr. Es hieß, dass der Herr Pfarrer früher einmal über die Demut des Menschen gegenüber Gott gepredigt und dabei einen kurzen, fast unsicheren Blick in ihre Richtung geworfen hatte. Und das war der Moment gewesen, in dem sie sich als moralisches Bollwerk des Dorfes endgültig etabliert hatte. Wenn sie die Kirche verließ, tat sie dies in der gleichen feierlichen Manier, mit der sie sie betreten hatte, und man konnte darauf schwören, dass sie in ihrer Würde den Herrn Pfarrer um Längen übertraf. Selbst der Altar schien vor ihr ein Stück tiefer zu sinken. Es war denn auch diese Aura von Unfehlbarkeit, die auf uns Kinder abfärbte, wenn wir Dr. Spielten, ahmten wir nicht den Herren Dr. Nach. Es war immer die Frau Dr. Die mit erhobener Stimme und strengem Blick Ÿousand das Kommando führte. Und eines Tages überkam's dabei den Ludwig. Mit übermütiger Energie beschloss er, ihre Autorität zu verkörpern. Er schnappte sich ein lineiertes Heft, das er als Krankenschein deklarierte und knallte es mit so viel Eifer auf den Tisch, dass die Seiten aus dem Einband flogen. Im Überschwang hatte er das Ding regelrecht zerfleddert. Wir wussten sofort, dass das zuhause garantiert rote Ohren geben würde. >> Thomas Speck: Zweitausendein. >> Thomas Speck: Ludwigs Mama verstand bei Schulsachen keinen Spaß. Das war ziemlich teuer damals. Doch in dem Moment war ihm das egal. Er wollte Frau Dr. Sein. Wir brachen in ein Gelächter aus, als er es nicht schaffte, ihre unverwechselbare strenge Überzeugung zu verkörpern. Wir lachten ihn aus. Die Frau Dr. Hätte doch schon längst den Kopf gewaschen. Der Respekt, den Frau Dr. Genoss, übertraf manchmal sogar den des Herrn Dr. Selbst. Man könnte fast sagen, dass sie sich den Titel Frau Dr. Nicht durch Heirat, sondern durch ein unerschütterliches Auftreten verdient hatte. Ihre Macht lag in der Kombination aus Disziplin, Selbstbewusstsein und einer Selbstverständlichkeit, die niemand in Frage stellte. Sie war nicht nur die Frau des Arztes, sie war das Bollwerk der alten Dorfordnung zweitausendein. Und jeder, der etwas auf sich hielt, machte sich klug genug, ihre Gunst nicht zu verspielen. Auch stellte niemand in Frage, dass sie zwar selbst keine medizinische Ausbildung genossen hatte, aber doch als natürliche Autorität in Gesundheitsfragen galt. Denn wer könnte wohl besser wissen, was einem fehlt, als die Frau desjenigen, der das Studium dazu absolviert hat. Ihre Selbstverständlichkeit war entwaffnend. >> Thomas Speck: Zweitausendein. >> Thomas Speck: Fast schon eine Wissenschaft für sich. Jeder Handgriff saß sie ordnete an, sie tröstete, sie tadelte. Wäre sie in einem anderen Leben nicht vielleicht doch eine erstklassige Diagnostikerin geworden? Eine Spezialistin für alles und jeden? Doch die Ironie ihres Daseins offenbarte sich erst, als der Fortschritt dieser alte Feiging, sich doch ins Dorf traute. Ein junger Dr. Zog zu frisch promoviert aus der Stadt und brachte nicht nur eine medizinische Ausstattung, sondern auch eine Frau mit, die nicht die Frau Dr. Genannt werden wollte. Fräulein Huber. Darauf bestand sie. Sie sei ja schließlich Sozialarbeiterin und keine Ärztin. Na, das war ja wohl ein Skandal, Ÿousand. Im Dorf war man fassungslos. Wie konnte sie es wagen, sich nicht im Glanz des Titels zu sonnen, der durch Heirat automatisch auf sie abgefärbt war? Das konnte nur eines Entweder war sie zu stolz oder zu faul, sich dem altbewährten Rollenspiel zu fügen. Oder, und das war die härteste Hypothese, sie glaubte nicht daran, dass der Titel ihres Gatten ihre Würde hob. Ungeheuerlich. Die wahre Katastrophe aber brach aus, als die jungen Frauen im Dorf plötzlich ebenfalls damit begannen, den Titel des Ehemanns in Frage zu stellen. Die Bäuerinnen wollten nicht mehr als Frau Bauer angeredet werden. Die Frau Metzgerin beanspruchte plötzlich, bei ihrem Vornamen genannt zu werden. Und sogar die Tochter des Bürgermeisters stellte sich in der Dorfschule nicht mehr als fräulein Bürgermeister vor, sondern als Sabine. Das muss man sich mal vorstellen. Fräulein Sabine, unsere Frau Dr. Müller blieb in ihrem Rüstzeug zurück. Ihr Titel, einst eine Trophäe, war plötzlich nur noch ein Stück dekadenter Folklore. Doch aufgeben wollte sie ihn nicht. Sie bestand darauf, dass der Respekt, der ihr über Jahrzehnte gebührte, weiterhin erhalten blieb, auch wenn ihre Patienten langsam weniger wurden und die neue Generation sich weder um Hochsteckfrisuren noch um Kaschmir scherte. Am Ende saß sie an ihrem Fenster mit einer Tasse Kamillentee und sah zu, wie die Dorfgemeinschaft sie Stück für Stück überholte. Der alte Dorfplatz, einst ihr Reich, wurde renoviert und die neue Apotheke warb mit modernen Heilverfahren, als hätte es diese in den letzten 50 Jahren nicht auch schon gegeben, nur eben unter ihrem strengen Blick. Vielleicht ahnte sie irgendwann, dass es nicht der Titel war, der sie ausmachte, sondern die Art und Weise, wie sie ihn trug. Doch das war eine Einsicht, die vielleicht so spät kam, wie der Fortschritt selbst. Und so blieb sie, Frau Dr. Zweitausendeinundzwanzig, bis ins hohe Alter. Eine lebendige Anekdote aus einer Zeit, als der Respekt noch von Titeln statt von Taten abhing. Denn sie war vor allem eines, eine Meisterin im Aufrechterhalten des Gewohnten. Das Dorf, ja, das würde diesen Titel wohl ewig in Erinnerung behalten, auch wenn irgendwann keiner mehr so recht wusste, was genau an ihr eigentlich Dr. Gewesen war. Die Ehrfurcht vor der Frau Dr. Verschwand erst mit den letzten, die sie noch persönlich gekannt hatten. Und als sie eines Tages nicht mehr über den Dorfplatz marschierte, sondern nur noch ein Name auf einem Grabstein war, zeigte sich, dass Selbstgevatter Tod nicht an alten Traditionen rütteln konnte. Man staunte, da stand tatsächlich in geschwungenen Lettern gemeißelt hier ruht Frau Müller, Doktors Gattin. Danke fürs Zuhören. Hier kommt der Moment, wo ich dich ganz charmant daran erinnern sollte, den Abo Knopf zu drücken. Aber komm, wir beide wissen, du hast längst entschieden, ob das hier ein Keeper ist oder nicht. Also kein Stress. Wenn dir das gefallen hat, lass mir doch ein Like, fünf Sterne oder eine kleine Bewertung da. Glaub mir, das hilft mehr als du denkst. Und wenn du jetzt hey, der Thomas, der hat mich echt zum lachen gebracht, das war einen Kaffee wert. Na dann kannst du mich mit einer kleinen Spende unterstützen. Der Link dafür ist natürlich ganz diskret in der Beschreibung oder auf meiner Website versteckt. Ach und übrigens, auf meiner Website gibt's auch einen Newsletter, der dich immer auf dem Laufenden hält. Danke für deine Unterstützung. Bis nächste Woche. Same time, same station. Euer Thomas. Inoffiziellen aber nicht, dass sie die tropfen wieder mit Schnaps herunter, bis sie vor theologischen Fe schien durch den stiller. Die Bäuerinnen, die Bäuerinnen, die Bäuerinnen, Bäuerinnen. Die Frau Metzgerin beanschluss bläh. Zweitausendein.

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