Prokrastinator - Später ist früh genug
Über Verschieberitis und damit zu leben
18.07.2024 22 min
Zusammenfassung & Show Notes
Diesmal widmet sich Thomas Speck in "Der Schalltrichter" einem Thema, das viele von uns nur zu gut kennen: der Prokrastination. Mit humorvollem Sarkasmus und persönlicher Offenheit beschreibt er die meisterhafte Kunst des Aufschiebens und die kreativen Ausreden, die Prokrastinatoren täglich aufs Neue erfinden.
Thomas gibt einen Einblick in das Leben eines Prokrastinators, das von ständigen Ablenkungen und einer fast bewundernswerten Fähigkeit geprägt ist, selbst die einfachsten Aufgaben in epische Abenteuer zu verwandeln. Doch er zeigt auch die dunkle Seite der Prokrastination, die oft von Angst, Perfektionismus und mangelndem Selbstwertgefühl begleitet wird.
In einer persönlichen Wendung teilt Thomas seine eigenen Erfahrungen und Kämpfe mit der Prokrastination. Er erzählt von den Herausforderungen, die ihn dazu brachten, unangenehme Aufgaben immer wieder zu verschieben, und von den tiefen emotionalen Wunden, die diese Vermeidungsstrategien oft verdecken.
Diese Episode ist eine einfühlsame und zugleich humorvolle Reflexion über die Gründe und Auswirkungen der Prokrastination. Thomas bietet eine Mischung aus Selbstironie und ernsthaften Einsichten, die zum Nachdenken anregen und vielleicht auch ein wenig trösten können.
Abonniert den Podcast, lasst ein Feedback da und begleitet Thomas auf dieser ehrlichen und unterhaltsamen Reise durch die Welt der Prokrastination. Viel Spaß beim Zuhören!
Thomas gibt einen Einblick in das Leben eines Prokrastinators, das von ständigen Ablenkungen und einer fast bewundernswerten Fähigkeit geprägt ist, selbst die einfachsten Aufgaben in epische Abenteuer zu verwandeln. Doch er zeigt auch die dunkle Seite der Prokrastination, die oft von Angst, Perfektionismus und mangelndem Selbstwertgefühl begleitet wird.
In einer persönlichen Wendung teilt Thomas seine eigenen Erfahrungen und Kämpfe mit der Prokrastination. Er erzählt von den Herausforderungen, die ihn dazu brachten, unangenehme Aufgaben immer wieder zu verschieben, und von den tiefen emotionalen Wunden, die diese Vermeidungsstrategien oft verdecken.
Diese Episode ist eine einfühlsame und zugleich humorvolle Reflexion über die Gründe und Auswirkungen der Prokrastination. Thomas bietet eine Mischung aus Selbstironie und ernsthaften Einsichten, die zum Nachdenken anregen und vielleicht auch ein wenig trösten können.
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Transkript
>> Thomas Speck: Prokrastinatoren sind die glorreichen Künstler der
Aufschieberitis, deren Fähigkeit,
jede noch so winzige Aufgabe in eine ferne
Zukunft zu verschieben, an die Grenzen des menschlichen
Vorstellungsvermögens stoßen.
Sie sind die unbesungenen Helden der modernen
Arbeitswelt, Meister darin, sich selbst
und andere von der immensen Wichtigkeit ihrer
Ausreden zu überzeugen. Zweitausendein diese
Episode ist ein wenig persönlicher und
wohl auch ein bisschen länger geraten. Ich wollte
mich über Prokrastination der
Aufschieberitis lustig machen.
Das ist mir nicht so sehr gelungen. Der Grund ist,
dass ich nur zu gut weiß, was
prokrastinieren ist.
Zweitausendein der Schalttrichter
Alltagsironie trifft Tiefsinn
von und mit eurem Man im Black des
Alltags. Thomas Speck
Stelle dir vor, ein Mensch, der mit der
gewaltigen Aufgabe betraut ist, eine
einfache E Mail zu beantworten. Zweitausendein
etwas, das in einem Paralleluniversum vielleicht
2 Minuten dauern würde. Doch hier,
in der faszinierenden Welt der
Prokrastination, verwandelt sich diese banale
Aufgabe in ein episches Abenteuer, das mit
dem Schauen von Katzenvideos, einer plötzlich
aufkommenden Passion für die Reinigung von
Sockenschubladen oder einer dringenden
Notwendigkeit, die Geschichte des Radiergummis zu
erforschen, gespickt ist.
Prokrastinatoren sind eine Stufe für
sich. Sie sind die Grandseigneure des
Aufschiebens, die es geschafft haben, das, was bei den
meisten Menschen eine lästige Angewohnheit ist,
in eine Lebensform zu verwandeln.
Ihre Fähigkeit, Aufgaben aufzuschieben, ist
so ausgeprägt, dass sie schon fast bewundernswert
ist, wenn es nicht so tragisch
wäre. Sie navigieren durch das
Leben wie ein Schiff ohne Segel, ständig vom
Wind der Ablenkung in neue, unerforschte
Gewässer der Zeitverschwendung getrieben.
Diese Menschen leben in einem Zustand
permanenter Selbsttäuschung, fest davon
überzeugt, dass später ein magischer
Zeitpunkt ist, an dem sie plötzlich die Motivation,
die Energie und die Zeit finden werden, all die
Dinge zu tun, die sie heute so kunstvoll
umgehen. Später
dieses sagenumwobene Land, in dem
Steuererklärungen sich selbst ausfüllen,
Fitnessziele automatisch erreicht werden und
die Bücher, die sie zu lesen vorgeben, sich
selbst verschlingen. Man darf auch
die psychologische Raffinesse nicht vergessen, mit der
diese Prokrastinatoren ihre Umgebung
manipulieren. Sie sind die Meister
der Ausrede, Virtuosen der
Verzögerung, die in der Lage sind, die
simpelsten Aufgaben in herkulische
Herausforderungen zu verwandeln, die nur mit der
richtigen Ausrichtung der Sterne bewältigt werden
können. In ihrer Essenz sind
diese Menschen jedoch nicht nur faule Zeitverschwender.
Oft sind sie gefangen in einem Netz aus
Angst, Perfektionismus und einem tief
verwurzelten Glauben an ihre eigene
Unzulänglichkeit. Ihre Prokrastination
ist nicht bloß ein Zeichen von Faulheit, sondern
ein komplexer Tanz, die Angst vor dem Scheitern,
der Verurteilung und dem Druck zu
performen. Doch in einer Welt, die
Schnelligkeit und Effizienz über alles stellt,
sind sie die Poeten des Zögerns, die
letzten Verteidiger der Idee, dass nicht alles
sofort geschehen muss. Vielleicht,
nur vielleicht, haben sie uns etwas
Wichtiges über das Leben zu lehren, das
manchmal der längste Weg zum Ziel der
lohnendste ist zweitausendein. Oder vielleicht sind sie
einfach nur verdammt gut darin, Zeit zu
verschwenden. Wer weiß das schon so
genau?
Der Anruf, den ich machen soll, ist mir
unangenehm, sehr sogar, denn ich
muss etwas bitten. etwas Zeit zu gewinnen,
inneren Anlauf zu nehmen,
rhabarbere ich den Anruf in Gedanken immer
wieder durch, während ich meine Wäsche
mache. Danach putze ich noch meine
Küche, nervös und unangenehm
berührt auf die Uhr schielend.
Kurz vor dem Mittag fällt mir ein, dass ich meinen
Müll auch schon länger nicht mehr runtergebracht habe. Das
muss aber noch erleichtert stelle
ich hernach fest, dass es ohnehin nicht mehr geht,
denn der die, dass ich anrufen sollte,
ist ab Mittag nicht mehr erreichbar, also
morgen. Tatsächlich
fühlt es sich für viele Menschen wie eine Erleichterung
an, wenn man unangenehme Dinge bis zur
Unmöglichkeit vertrödelt, nur sie
nicht jetzt machen zu müssen.
Dafür lässt er oder sie sich nur allzu gerne
ablenken. Willkommen sind lästige
Whatsapps, TikToks oder Instagram
Chats. Die Freundin würde gerne einen Kaffee
trinken gehen. Noch jemand
braucht meine Hilfe und ich muss sofort los.
Sollte keine dieser Ablenkungen zur Verfügung
stehen, tut solch ein Mensch seltsamerweise
stattdessen andere Dinge, die ihm ansonsten
unangenehm sind. In meinem Fall
könnte das Wäsche staubsaugen oder
Küche putzen sein, was ich leidlich gerne
verschiebe. Am Ende hat man fast
ein gutes Gewissen und ein leichtes
Erfolgsgefühl, denn man hat ja was gemacht, was
das schlechte Gewissen wegen dem versäumten
Anruf nahezu aufwiegt.
Der Gedanke, dass man das morgen aber machen muss
und dies eventuell noch unangenehmer ist,
weil eine gesetzte Frist schon fast abgelaufen
ist, wird die nächsten paar Stunden
weggeschoben. Erst
abends, wenn man sich das nächste Mal
erinnert, steigt einem dieses kochend
heiße Gefühl hoch und die Furcht vor dem
Anruf, das verzweifelte Gefühl, es nicht
machen, sich nicht kümmern zu wollen, ist
wieder da. So schlägt man sich dann auch noch die
ganze Nacht die Ohren, nur ja die Zeit
hinauszuzögern, die man noch hat. Vor diesem
Anruf einschlafen und dann
aufzuwachen? Nein, das geht viel zu
schnell. Und genau ab hier
verkehrt sich nun meine beabsichtigte Satire
in einen kleinen Seelenstrip tease.
Warum? Weil ich einer
der größten und besten Prokrastinierer auf
Gottes Erdboden war und es mir unangenehm
ist, das zuzugeben. Ich war
so gut darin, dass andere oft nicht einmal bemerkten, dass ich
bloß verschiebe. Ich habe mich so geschickt
aus den Dingen herausgeredet, dass viele sich mir
gegenüber schuldig fühlten und mich, der ich in
meinem Selbstmitleid schwamm, auch noch getröstet
haben, weil ich wieder einmal etwas nicht geschafft
habe. Gesegnet sind die, die
Eltern, Freunde oder Kollegen haben,
die, wenn es darauf ankommt, einen bei der
Hand nehmen und mit größter Energie alles
daransetzen, dir zu helfen, deine Deadline,
deine Wünsche oder Aufgaben noch zu
erreichen. Das sind wahre Engel, weil sie über
deine Mängel hinwegsehen können und nur die Not
bemerken, in der du gerade bist. Und solchen
Engeln begegnet man nicht allzu oft.
Z.B. studenten, die haben meist ja
fast ein ganzes Schuljahr dafür, ihre
Abschlussarbeiten zu schreiben. Das sind sechs bis
acht Monate. Manche haben schon
nach zwei Monaten alles fertig, manche
zwei Monate vor der Deadline und manche zwei
Wochen davor. Noch nicht einmal ein Konzept.
Tausenderlei andere Dinge waren wichtiger. Das
Treffen hier, der Verein da, die Freundin dort und
diese eine Reise. Und am
Ende, wenn man das Glück hat, sitzt die
ganze Familie zusammen, sortiert Bilder,
beschriftet, katalogisiert und liest Korrektur.
Am Ende wird die Arbeit auf den letzten Drücker
abgegeben, für gut befunden und
der oder die Studentin braucht erstmal
eine Pause. Denn solch ein Vorgehen
kostet unglaubliche Mengen Energie.
Über die nach Luft röchelnde Familie wollen wir
lieber schweigen. Der
Prokrastinator bleibt dennoch unzufrieden
zurück, denn die abgegebene Arbeit ist nur halb
so gut, wie sie hätte sein können.
Er oder sie weiß das auch, tut
aber so, als wäre man zufrieden mit der
mittelmäßigen drei, die man bekommen hat.
Ist es einmal doch eine bessere Note, dann tut
man sie lässig ab, nicht zugeben zu müssen, dass
man es ohne fremde Hilfe gar nicht geschafft
hätte. Was treibt manche
Menschen an, alles Unangenehme vor sich
herzuschieben? Und was ist denn das
Unangenehme eigentlich? Hier
kann ich nur aus der Erfahrung meiner Jahre sprechen.
Einen Prokrastinatoren erkennt man recht
einfach. Er sie ist
schlampig, unordentlich,
unorganisiert und mit recht wenig
Selbstdisziplin. Was aber im krassen
Gegensatz zu dem zur Schau gestellten
Perfektionismus ist, wenn es Projekte,
Ziele oder Vorgaben geht, die unser
Prokrastinator erfüllen soll oder gerne
möchte. Aufräumen z.b. ist
etwas, was sie am allerliebsten verschieben. Das
ist einfach und bricht keinem ein beIN.
Es sei denn, sie sollen etwas tun, was noch
unangenehmer ist. Oder es kommt Besuch,
dann wird aufgeräumt, dass der Dreck nur so
fliegt. auf mein Beispiel am Anfang
zurü ich habe lieber stundenlang meine
Wohnung geputzt, als ein fünfminütiges
unangenehmes Telefonat zu führen,
weil ich Angst hatte. Angst davor,
als etwas erkannt zu werden, als dass ich mich selbst nicht
sehen wollte. Angst, ein Nein
zu hören, Angst, nicht gut genug zu sein,
Angst vor dem Versagen, kurz ein ziemlich
kleines Selbstwertgefühl und wenig
Selbstvertrauen hatte, weshalb ich mich dann hinter
unerreichbarem Perfektionismus versteckte, einem
weiteren todsicheren Hinweis auf
Prokrastination. Zweitausendein und eine weitere perfekte
Ausrede für ein eventuelles, im
Voraus befürchtetes Versagen.
Ich spreche hier natürlich nicht mehr vom zeitweiligen
Trödeln. Ich spreche hier von
Energielosigkeit, Depression und dem
Unwillen, sich etwas kümmern zu müssen.
Was nun unangenehm ist und was
nicht, das kann so einfach nicht gesagt
werden. Das hängt sehr davon ab, wie weit sich dieser
Mensch schon mit seiner Verschieberitis arrangiert
hat. Ganz am Anfang sind es oft nur
Kleinigkeiten, und das beginnt schon, wenn man selbst noch sehr
jung ist. Denn Prokrastination entsteht aus
mangelndem Selbstwert, den man sich eigentlich in
jüngsten Jahren aneignet. In vielen
Fällen kommt es nur manchmal vor, in
bestimmten Situationen. In anderen Fällen
ist es stärker ausgeprägt, je nachdem, welche
Selbstwertprägung man schon als kleiner Mensch erfahren
hat. Ich war ein Mobbingopfer,
wurde in meiner Schulzeit verprügelt, verspottet und zum
Narren gemacht. Oft sogar von Menschen,
denen man zuvor sehr vertraut hat.
Ich war nicht gut genug, nicht schlau
genug, nicht schnell oder logisch oder eben
ordentlich genug. Es gab leider so ziemlich
nichts, was mir Lob oder Anerkennung eingebracht
hätte. So beginnt man
vielleicht die Schule zu verschieben, nun zu
schwänzen, Krankheiten zu simulieren, bis man
tatsächlich krank ist. Man beginnt Dinge
zu vergessen, weil man sich in Gedankenwelten
verliert und die grausame Wirklichkeit verdrängt.
Damals waren es die Bücher von Karl May für
mich. Lesen war meine Flucht.
Wehe, man hätte mich damals gezwungen, auf meine Reisen durchs
wilde Kurdistan oder die Wüste zu verzichten,
oder auf meinen Ritt auf Hatter Tietler durch die Deaton
Range der Rocky Mountains. Wenn mich jemand davon
abgehalten hätte, mich dem bösen Jude zu stellen
oder Santa quer durch alle Prärien zu
jagen. Ich hätte mit Ablehnung,
heftigen Argumenten und Protest geantwortet und
Strafen dafür riskiert.
Niemand hat erkannt, warum ich wirklich las, die
Bücher regelrecht verschlang. Im
Gegenteil, dafür wurde ich gelobt.
So habe ich begonnen, alles an Literatur und
Zeitschriften zu fressen, Zweitausendein, welcher ich habhaft werden
konnte. Mein Vater hatte schon immer viele Bücher, vor
allem Dokumentationen und eben Karl
May. Ich habe so schon
relativ früh recht viel Wissen angehäuft, was
ein weiterer Motor des Mobbings an mir
nerd, Streber,
Wesserwisser. Der heutige
junge Mensch greift ja eher zu Games auf Handy und
Tablet denn zu Büchern. Oder er saugt sich an
TV Serien fest. Aber die Gründe dafür sind
absolut Flucht und
Verdrängung. Nur glaube ich, dass wir uns,
die Prokrastinatoren der Zukunft, gerade selbst
heranziehen damit. Doch ich lenke
ab. Meine Vergesslichkeit war
lange Zeit eine meiner zuverlässigsten
Begleiterinnen, die für reichlich peinliche Momente
gesorgt hat. Aber sie war auch meine beste
Ausrede. Vergessen ist schließlich
menschlich, und das macht man ja nicht
absichtlich, dachte ich.
Im Laufe der Zeit wird dann also alles
unangenehm. Zunächst die Dinge, von denen
man glaubt, dass man sie nicht gut kann. Man wird lieber ein
faules, vergessliches Aas geschimpft, weil man das
ohnehin von sich selber glaubt, als sich wieder und
wieder die Demütigung zu holen, dass man dieses oder
jenes wieder einmal nicht gut genug gemacht hat.
Denn geschimpft wurde ich ohnehin. So
konnte ich mir wenigstens aussuchen, wofür ich geschimpft
wurde. Wenn ich also an meine Kindheit
denke, dann erinnere ich mich nur an einen Jungen,
der Angst hatte. Angst vor anderen
Kindern, ja sogar seinen eigenen Geschwistern.
Angst davor, als schwach zu gelten. Angst
davor, verprügelt zu werden. Angst vor
Spott und Demütigung und
Denunziation. Da das Gehirn ein
ganz schlauer ist und gelernt hat, wie oft man mit
Verschieberei durchgekommen ist, legt man dieses Wissen
irgendwann einmal auf alles das in irgendeiner Form
unangenehm sein könnte und
einen möglicherweise aus der
Traumwelt reißt, in der man sich so sicher
fühlt. Dann werden auch ganz alltägliche
Dinge wie Einkaufen, Haushalt, ja
oft sogar eine Beziehung zu führen, unangenehm
empfunden und daher vermieden. Ein
ziemlich pathologischer Befund, nicht wahr?
So manifestiert sich das über die Jahre. Man wird
zu einem Meister der Vermeidung, bis man am Ende
Menschen vermeidet und zu Misanthropen wird,
der jeden Glauben an Menschheit und Freundschaft verloren
hat. Vermeidung wird zur
Lebensstrategie. Alles,
nahezu alles, das getan werden
soll, wird Belastung, egal was es
ist. Wenn ein soll oder muss,
dranhängt, löst es sofort Unwillen
aus. Überforderung.
Ich glaubte lange Zeit meines Lebens, ein Feigling zu
sein. Selbst die Schuld daran zu tragen, wenn andere mich
verdroschen haben. Ich habe mir die Schuld daran
gegeben, wenn man mich als Nerd beschimpfte, wenn man mich
mit meinem Namen provozierte, wenn man mich trat,
schlug oder quälte. Und über
allem stand flehentlich der Feigling, der sich nicht
getraute, sich zu wehren oder seinen Eltern zu sagen,
was tatsächlich hier passiert. Ich
glaubte, dass mir niemand glauben würde,
und so hat mir auch niemand geglaubt.
Also habe ich nichts mehr gesagt und in der Schule
buchstäblich fürchterliches erduldet. Ich
hatte es ja auf eine schräge und seltsame Weise
verdient, denn es musste ja ich sein, der
etwas falsch machte, irgendwie zu blöd war, in diese
Gesellschaft zu passen. Zweitausendein ich konnte ja niemanden
sonst die Schuld geben als mir. Denn egal wohin ich
ging, es war überall und in jedem Umfeld
immer dasselbe. Und so habe ich angefangen,
mich selbst zu vermeiden, mein Innerstes,
meinen Schmerz. Ich habe mich in
Logik und Wissen vergraben, mich gleichsam damit
bedeckt wie mit einer schützenden Rüstung.
Ich habe es letztlich vermieden, geliebt zu werden
und verhinderte damit den Schmerz, wesentlich wieder
verletzt zu werden. Und so
kreierte ich ein Narrativ meiner selbst,
eine Erzählung jemandes, der ich gerne wäre.
Ich weiß, ich habe es oft sehr, sehr überzeugend
dargestellt, aber das kostet Kraft und
Energie, und die reicht irgendwann nicht
mehr aus. Worauf das Narrativ zusammenbrechen
muss, und dann wird man durchschaut.
Dann reicht auch Liebe oft nicht mehr. Dann
bleibt oft nur Scham und der müde Versuch,
sich in Erklärungen zu verlieren, wenigstens ein
wenig das Gesicht zu wahren.
Und ich habe im Stillen meine unendlich laufenden,
salzigen Tränen geweint, weil ich wieder jemanden,
der an mich geglaubt hat, eingewoben in meine
kultiviert raffinierten Worte, ins Kreuzfeuer
meines inneren Krieges gezogen habe und auf dem
Schlachtfeld meiner inneren Krawalle sterben
ließ. Und so habe ich viele
Menschen in meinem Leben damit verloren,
meine eigene Erzählung aufrechterhaltend. Den
Helden des Dramas weiterschreiten zu lassen, habe
ich so getan, als würde mich der Verlust nicht kratzen,
über den Dingen stehend, ein Held eben,
der am stärksten alleine ist.
Aber ich sage euch, ich habe es jedes mal wie
eine Erderschütterung gespürt, ein Beben
der Seele, ein trotziges Aufbegehren meines
inneren, weggesperrten Jungen. Bis
letztlich meine erfundene Geschichte auch von meinem
eigenen Spiegel zerbrach und mich in dunkelste
Abgründe warf. Die darauf folgende
Einsamkeit war eine lange, schmerzhaft
und tränenreich, aber heilend.
Ich habe endlich Kräfte und Dinge in mir entdeckt,
derer ich vordem gar nicht bewusst war.
Da waren die verschiedensten Versionen von dem, was
ich mir für mich erträumt habe, aber anders, als
ich sie erwartet hatte.
Einfacher, viel tiefer und klarer als
in meiner Vorstellung. Zeit.
Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich Zeit
mit mir selbst und meinen träumen verbracht.
Zeit, Zeit, Zeit ist in diesen Jahren das
Wichtigste für mich gewesen. Zeit. Einfach
nur ich zu sein, war ein unendlicher
Luxus, den ich mir plötzlich erlauben konnte. Denn ich
hatte niemanden mehr mich, der wirklich mit mir sein
wollte. Ich behaupte nicht, dass es leicht war, diese
Einsamkeit durchzustehen, aber am Ende
ist es ganz einfach gewesen.
Ich bin irgendwie gar nicht in der Lage, mich über
Prokrastinatoren lustig zu machen. Denn das
hieße, mich über mich selbst und meine Vergangenheit
lustig zu machen. Und obwohl ich das gerne möchte, zu
zeigen, ich bin drüber weg, der Held eben.
Das lässt der emotionale Zustand, den das Thema
während des Schreibens gerade erzeugt, nicht
zu. Die wichtigste Lektion dieser
Jahre in meinem Leben letztlich geht es
immer und nur dich selbst.
Ja, ganz genau. Dieses verhasste
kleine jungen ich da ganz tief hinten in der
Seelenhöhle, das bin ich. Das
war ich immer und ich werde es immer sein.
Und Schritt für Schritt ließ ich ihn auch heraus.
Ich habe vorsichtig mal den einen Zweitausendein, dann den anderen
Zeh nach vorne gestellt, die Welt, in der ich lebe, mit
neuen Augen zu entdecken. Und so habe
ich mich langsam nach vor gewagt, an den Rand des
Nestes, und zum ersten mal wirklich in die
Tiefe und zum Horizont geschaut.
Die erstaunten blauen Augen des Thomas haben
Details entdeckt, die er nie für möglich gehalten
hat. Und so hat der kleine Junge, der von
meinem Verstand verurteilt, 50 Jahre unschuldig in
der staubigen Höhle meines Narrativs verbringen musste,
das erste Mal gewagt, seine Flügel
auszubreiten und sich in die Tiefe fallen zu
lassen.
Liebe Prokrastinatoren, ihr seid die
liebenswertesten Lügner der Welt.
Man möchte euch umarmen, an der Hand nehmen,
begleiten, beschützen und knuddeln. Und manchmal möchte man
euch einfach auf den Mond schießen.
Wir haben euch gern, ihr seht es nur nicht.
Und wir wissen, dass ihr Lügner seid.
Wir wissen es jedes Mal. Wir sind nur
zu liebenswürdig, euch zu ich durchschaue
dich und weiß, dass du dich wieder nur
rauswindest. Die einzigen, die ihr
noch anlügen könnt und die euch unbedingt glauben
wollen, seid ihr selbst.
Danke fürs Zuhören. Lasst mir doch ein Abo
da, ein Herzchen, ein Like oder
fünf Sterne und vielleicht einen guten
Kommentar. Euer Thomas
der gewaltigen aufgibt Blair,
einer plötzlich aufkommenden
Bausend, die nur mit der richtigen
A meine
Vergesslichkeit und solchen
Engeln bewegt. Was
treibt mein, weshalb ich mich
dann so manifestiert?