Der Schalltrichter

Thomas Speck

Prokrastinator - Später ist früh genug

Über Verschieberitis und damit zu leben

18.07.2024 22 min

Zusammenfassung & Show Notes

Diesmal  widmet sich Thomas Speck in "Der Schalltrichter" einem Thema, das viele von uns nur zu gut kennen: der Prokrastination. Mit humorvollem Sarkasmus und persönlicher Offenheit beschreibt er die meisterhafte Kunst des Aufschiebens und die kreativen Ausreden, die Prokrastinatoren täglich aufs Neue erfinden.

Thomas gibt einen Einblick in das Leben eines Prokrastinators, das von ständigen Ablenkungen und einer fast bewundernswerten Fähigkeit geprägt ist, selbst die einfachsten Aufgaben in epische Abenteuer zu verwandeln. Doch er zeigt auch die dunkle Seite der Prokrastination, die oft von Angst, Perfektionismus und mangelndem Selbstwertgefühl begleitet wird.

In einer persönlichen Wendung teilt Thomas seine eigenen Erfahrungen und Kämpfe mit der Prokrastination. Er erzählt von den Herausforderungen, die ihn dazu brachten, unangenehme Aufgaben immer wieder zu verschieben, und von den tiefen emotionalen Wunden, die diese Vermeidungsstrategien oft verdecken.

Diese Episode ist eine einfühlsame und zugleich humorvolle Reflexion über die Gründe und Auswirkungen der Prokrastination. Thomas bietet eine Mischung aus Selbstironie und ernsthaften Einsichten, die zum Nachdenken anregen und vielleicht auch ein wenig trösten können.

Abonniert den Podcast, lasst ein Feedback da und begleitet Thomas auf dieser ehrlichen und unterhaltsamen Reise durch die Welt der Prokrastination. Viel Spaß beim Zuhören!

Abonniere diesen Podcast und hinterlasse eine Bewertung oder Rezension.
Spotify: https://open.spotify.com/show/0kstD0qNhpu8MnTZN9YUsL?si=5c9ab85a8896447d
Apple: https://podcasts.apple.com/at/podcast/der-schalltrichter/id1572332019

Teile "Der Schalltrichter" auch mit Freunden und Familie!

Ich freue mich auf einen Besuch und Follow und Teilen bei:
Der Schalltrichter: https://www.der-schalltrichter.at/
Instagram: @der.schalltrichter.podcast
Bluesky: https://bsky.app/profile/der-speck-thomas.bsky.social
Threads: https://www.threads.net/@der.speck.thomas
Youtube: https://www.youtube.com/@der.schalltrichter.podcast

Unterstützen (Du brauchst KEIN eigenes Paypal-Konto!): https://www.paypal.com/paypalme/SpeckThomas

Danke! Euer Thomas

Transkript

>> Thomas Speck: Prokrastinatoren sind die glorreichen Künstler der Aufschieberitis, deren Fähigkeit, jede noch so winzige Aufgabe in eine ferne Zukunft zu verschieben, an die Grenzen des menschlichen Vorstellungsvermögens stoßen. Sie sind die unbesungenen Helden der modernen Arbeitswelt, Meister darin, sich selbst und andere von der immensen Wichtigkeit ihrer Ausreden zu überzeugen. Zweitausendein diese Episode ist ein wenig persönlicher und wohl auch ein bisschen länger geraten. Ich wollte mich über Prokrastination der Aufschieberitis lustig machen. Das ist mir nicht so sehr gelungen. Der Grund ist, dass ich nur zu gut weiß, was prokrastinieren ist. Zweitausendein der Schalttrichter Alltagsironie trifft Tiefsinn von und mit eurem Man im Black des Alltags. Thomas Speck Stelle dir vor, ein Mensch, der mit der gewaltigen Aufgabe betraut ist, eine einfache E Mail zu beantworten. Zweitausendein etwas, das in einem Paralleluniversum vielleicht 2 Minuten dauern würde. Doch hier, in der faszinierenden Welt der Prokrastination, verwandelt sich diese banale Aufgabe in ein episches Abenteuer, das mit dem Schauen von Katzenvideos, einer plötzlich aufkommenden Passion für die Reinigung von Sockenschubladen oder einer dringenden Notwendigkeit, die Geschichte des Radiergummis zu erforschen, gespickt ist. Prokrastinatoren sind eine Stufe für sich. Sie sind die Grandseigneure des Aufschiebens, die es geschafft haben, das, was bei den meisten Menschen eine lästige Angewohnheit ist, in eine Lebensform zu verwandeln. Ihre Fähigkeit, Aufgaben aufzuschieben, ist so ausgeprägt, dass sie schon fast bewundernswert ist, wenn es nicht so tragisch wäre. Sie navigieren durch das Leben wie ein Schiff ohne Segel, ständig vom Wind der Ablenkung in neue, unerforschte Gewässer der Zeitverschwendung getrieben. Diese Menschen leben in einem Zustand permanenter Selbsttäuschung, fest davon überzeugt, dass später ein magischer Zeitpunkt ist, an dem sie plötzlich die Motivation, die Energie und die Zeit finden werden, all die Dinge zu tun, die sie heute so kunstvoll umgehen. Später dieses sagenumwobene Land, in dem Steuererklärungen sich selbst ausfüllen, Fitnessziele automatisch erreicht werden und die Bücher, die sie zu lesen vorgeben, sich selbst verschlingen. Man darf auch die psychologische Raffinesse nicht vergessen, mit der diese Prokrastinatoren ihre Umgebung manipulieren. Sie sind die Meister der Ausrede, Virtuosen der Verzögerung, die in der Lage sind, die simpelsten Aufgaben in herkulische Herausforderungen zu verwandeln, die nur mit der richtigen Ausrichtung der Sterne bewältigt werden können. In ihrer Essenz sind diese Menschen jedoch nicht nur faule Zeitverschwender. Oft sind sie gefangen in einem Netz aus Angst, Perfektionismus und einem tief verwurzelten Glauben an ihre eigene Unzulänglichkeit. Ihre Prokrastination ist nicht bloß ein Zeichen von Faulheit, sondern ein komplexer Tanz, die Angst vor dem Scheitern, der Verurteilung und dem Druck zu performen. Doch in einer Welt, die Schnelligkeit und Effizienz über alles stellt, sind sie die Poeten des Zögerns, die letzten Verteidiger der Idee, dass nicht alles sofort geschehen muss. Vielleicht, nur vielleicht, haben sie uns etwas Wichtiges über das Leben zu lehren, das manchmal der längste Weg zum Ziel der lohnendste ist zweitausendein. Oder vielleicht sind sie einfach nur verdammt gut darin, Zeit zu verschwenden. Wer weiß das schon so genau? Der Anruf, den ich machen soll, ist mir unangenehm, sehr sogar, denn ich muss etwas bitten. etwas Zeit zu gewinnen, inneren Anlauf zu nehmen, rhabarbere ich den Anruf in Gedanken immer wieder durch, während ich meine Wäsche mache. Danach putze ich noch meine Küche, nervös und unangenehm berührt auf die Uhr schielend. Kurz vor dem Mittag fällt mir ein, dass ich meinen Müll auch schon länger nicht mehr runtergebracht habe. Das muss aber noch erleichtert stelle ich hernach fest, dass es ohnehin nicht mehr geht, denn der die, dass ich anrufen sollte, ist ab Mittag nicht mehr erreichbar, also morgen. Tatsächlich fühlt es sich für viele Menschen wie eine Erleichterung an, wenn man unangenehme Dinge bis zur Unmöglichkeit vertrödelt, nur sie nicht jetzt machen zu müssen. Dafür lässt er oder sie sich nur allzu gerne ablenken. Willkommen sind lästige Whatsapps, TikToks oder Instagram Chats. Die Freundin würde gerne einen Kaffee trinken gehen. Noch jemand braucht meine Hilfe und ich muss sofort los. Sollte keine dieser Ablenkungen zur Verfügung stehen, tut solch ein Mensch seltsamerweise stattdessen andere Dinge, die ihm ansonsten unangenehm sind. In meinem Fall könnte das Wäsche staubsaugen oder Küche putzen sein, was ich leidlich gerne verschiebe. Am Ende hat man fast ein gutes Gewissen und ein leichtes Erfolgsgefühl, denn man hat ja was gemacht, was das schlechte Gewissen wegen dem versäumten Anruf nahezu aufwiegt. Der Gedanke, dass man das morgen aber machen muss und dies eventuell noch unangenehmer ist, weil eine gesetzte Frist schon fast abgelaufen ist, wird die nächsten paar Stunden weggeschoben. Erst abends, wenn man sich das nächste Mal erinnert, steigt einem dieses kochend heiße Gefühl hoch und die Furcht vor dem Anruf, das verzweifelte Gefühl, es nicht machen, sich nicht kümmern zu wollen, ist wieder da. So schlägt man sich dann auch noch die ganze Nacht die Ohren, nur ja die Zeit hinauszuzögern, die man noch hat. Vor diesem Anruf einschlafen und dann aufzuwachen? Nein, das geht viel zu schnell. Und genau ab hier verkehrt sich nun meine beabsichtigte Satire in einen kleinen Seelenstrip tease. Warum? Weil ich einer der größten und besten Prokrastinierer auf Gottes Erdboden war und es mir unangenehm ist, das zuzugeben. Ich war so gut darin, dass andere oft nicht einmal bemerkten, dass ich bloß verschiebe. Ich habe mich so geschickt aus den Dingen herausgeredet, dass viele sich mir gegenüber schuldig fühlten und mich, der ich in meinem Selbstmitleid schwamm, auch noch getröstet haben, weil ich wieder einmal etwas nicht geschafft habe. Gesegnet sind die, die Eltern, Freunde oder Kollegen haben, die, wenn es darauf ankommt, einen bei der Hand nehmen und mit größter Energie alles daransetzen, dir zu helfen, deine Deadline, deine Wünsche oder Aufgaben noch zu erreichen. Das sind wahre Engel, weil sie über deine Mängel hinwegsehen können und nur die Not bemerken, in der du gerade bist. Und solchen Engeln begegnet man nicht allzu oft. Z.B. studenten, die haben meist ja fast ein ganzes Schuljahr dafür, ihre Abschlussarbeiten zu schreiben. Das sind sechs bis acht Monate. Manche haben schon nach zwei Monaten alles fertig, manche zwei Monate vor der Deadline und manche zwei Wochen davor. Noch nicht einmal ein Konzept. Tausenderlei andere Dinge waren wichtiger. Das Treffen hier, der Verein da, die Freundin dort und diese eine Reise. Und am Ende, wenn man das Glück hat, sitzt die ganze Familie zusammen, sortiert Bilder, beschriftet, katalogisiert und liest Korrektur. Am Ende wird die Arbeit auf den letzten Drücker abgegeben, für gut befunden und der oder die Studentin braucht erstmal eine Pause. Denn solch ein Vorgehen kostet unglaubliche Mengen Energie. Über die nach Luft röchelnde Familie wollen wir lieber schweigen. Der Prokrastinator bleibt dennoch unzufrieden zurück, denn die abgegebene Arbeit ist nur halb so gut, wie sie hätte sein können. Er oder sie weiß das auch, tut aber so, als wäre man zufrieden mit der mittelmäßigen drei, die man bekommen hat. Ist es einmal doch eine bessere Note, dann tut man sie lässig ab, nicht zugeben zu müssen, dass man es ohne fremde Hilfe gar nicht geschafft hätte. Was treibt manche Menschen an, alles Unangenehme vor sich herzuschieben? Und was ist denn das Unangenehme eigentlich? Hier kann ich nur aus der Erfahrung meiner Jahre sprechen. Einen Prokrastinatoren erkennt man recht einfach. Er sie ist schlampig, unordentlich, unorganisiert und mit recht wenig Selbstdisziplin. Was aber im krassen Gegensatz zu dem zur Schau gestellten Perfektionismus ist, wenn es Projekte, Ziele oder Vorgaben geht, die unser Prokrastinator erfüllen soll oder gerne möchte. Aufräumen z.b. ist etwas, was sie am allerliebsten verschieben. Das ist einfach und bricht keinem ein beIN. Es sei denn, sie sollen etwas tun, was noch unangenehmer ist. Oder es kommt Besuch, dann wird aufgeräumt, dass der Dreck nur so fliegt. auf mein Beispiel am Anfang zurü ich habe lieber stundenlang meine Wohnung geputzt, als ein fünfminütiges unangenehmes Telefonat zu führen, weil ich Angst hatte. Angst davor, als etwas erkannt zu werden, als dass ich mich selbst nicht sehen wollte. Angst, ein Nein zu hören, Angst, nicht gut genug zu sein, Angst vor dem Versagen, kurz ein ziemlich kleines Selbstwertgefühl und wenig Selbstvertrauen hatte, weshalb ich mich dann hinter unerreichbarem Perfektionismus versteckte, einem weiteren todsicheren Hinweis auf Prokrastination. Zweitausendein und eine weitere perfekte Ausrede für ein eventuelles, im Voraus befürchtetes Versagen. Ich spreche hier natürlich nicht mehr vom zeitweiligen Trödeln. Ich spreche hier von Energielosigkeit, Depression und dem Unwillen, sich etwas kümmern zu müssen. Was nun unangenehm ist und was nicht, das kann so einfach nicht gesagt werden. Das hängt sehr davon ab, wie weit sich dieser Mensch schon mit seiner Verschieberitis arrangiert hat. Ganz am Anfang sind es oft nur Kleinigkeiten, und das beginnt schon, wenn man selbst noch sehr jung ist. Denn Prokrastination entsteht aus mangelndem Selbstwert, den man sich eigentlich in jüngsten Jahren aneignet. In vielen Fällen kommt es nur manchmal vor, in bestimmten Situationen. In anderen Fällen ist es stärker ausgeprägt, je nachdem, welche Selbstwertprägung man schon als kleiner Mensch erfahren hat. Ich war ein Mobbingopfer, wurde in meiner Schulzeit verprügelt, verspottet und zum Narren gemacht. Oft sogar von Menschen, denen man zuvor sehr vertraut hat. Ich war nicht gut genug, nicht schlau genug, nicht schnell oder logisch oder eben ordentlich genug. Es gab leider so ziemlich nichts, was mir Lob oder Anerkennung eingebracht hätte. So beginnt man vielleicht die Schule zu verschieben, nun zu schwänzen, Krankheiten zu simulieren, bis man tatsächlich krank ist. Man beginnt Dinge zu vergessen, weil man sich in Gedankenwelten verliert und die grausame Wirklichkeit verdrängt. Damals waren es die Bücher von Karl May für mich. Lesen war meine Flucht. Wehe, man hätte mich damals gezwungen, auf meine Reisen durchs wilde Kurdistan oder die Wüste zu verzichten, oder auf meinen Ritt auf Hatter Tietler durch die Deaton Range der Rocky Mountains. Wenn mich jemand davon abgehalten hätte, mich dem bösen Jude zu stellen oder Santa quer durch alle Prärien zu jagen. Ich hätte mit Ablehnung, heftigen Argumenten und Protest geantwortet und Strafen dafür riskiert. Niemand hat erkannt, warum ich wirklich las, die Bücher regelrecht verschlang. Im Gegenteil, dafür wurde ich gelobt. So habe ich begonnen, alles an Literatur und Zeitschriften zu fressen, Zweitausendein, welcher ich habhaft werden konnte. Mein Vater hatte schon immer viele Bücher, vor allem Dokumentationen und eben Karl May. Ich habe so schon relativ früh recht viel Wissen angehäuft, was ein weiterer Motor des Mobbings an mir nerd, Streber, Wesserwisser. Der heutige junge Mensch greift ja eher zu Games auf Handy und Tablet denn zu Büchern. Oder er saugt sich an TV Serien fest. Aber die Gründe dafür sind absolut Flucht und Verdrängung. Nur glaube ich, dass wir uns, die Prokrastinatoren der Zukunft, gerade selbst heranziehen damit. Doch ich lenke ab. Meine Vergesslichkeit war lange Zeit eine meiner zuverlässigsten Begleiterinnen, die für reichlich peinliche Momente gesorgt hat. Aber sie war auch meine beste Ausrede. Vergessen ist schließlich menschlich, und das macht man ja nicht absichtlich, dachte ich. Im Laufe der Zeit wird dann also alles unangenehm. Zunächst die Dinge, von denen man glaubt, dass man sie nicht gut kann. Man wird lieber ein faules, vergessliches Aas geschimpft, weil man das ohnehin von sich selber glaubt, als sich wieder und wieder die Demütigung zu holen, dass man dieses oder jenes wieder einmal nicht gut genug gemacht hat. Denn geschimpft wurde ich ohnehin. So konnte ich mir wenigstens aussuchen, wofür ich geschimpft wurde. Wenn ich also an meine Kindheit denke, dann erinnere ich mich nur an einen Jungen, der Angst hatte. Angst vor anderen Kindern, ja sogar seinen eigenen Geschwistern. Angst davor, als schwach zu gelten. Angst davor, verprügelt zu werden. Angst vor Spott und Demütigung und Denunziation. Da das Gehirn ein ganz schlauer ist und gelernt hat, wie oft man mit Verschieberei durchgekommen ist, legt man dieses Wissen irgendwann einmal auf alles das in irgendeiner Form unangenehm sein könnte und einen möglicherweise aus der Traumwelt reißt, in der man sich so sicher fühlt. Dann werden auch ganz alltägliche Dinge wie Einkaufen, Haushalt, ja oft sogar eine Beziehung zu führen, unangenehm empfunden und daher vermieden. Ein ziemlich pathologischer Befund, nicht wahr? So manifestiert sich das über die Jahre. Man wird zu einem Meister der Vermeidung, bis man am Ende Menschen vermeidet und zu Misanthropen wird, der jeden Glauben an Menschheit und Freundschaft verloren hat. Vermeidung wird zur Lebensstrategie. Alles, nahezu alles, das getan werden soll, wird Belastung, egal was es ist. Wenn ein soll oder muss, dranhängt, löst es sofort Unwillen aus. Überforderung. Ich glaubte lange Zeit meines Lebens, ein Feigling zu sein. Selbst die Schuld daran zu tragen, wenn andere mich verdroschen haben. Ich habe mir die Schuld daran gegeben, wenn man mich als Nerd beschimpfte, wenn man mich mit meinem Namen provozierte, wenn man mich trat, schlug oder quälte. Und über allem stand flehentlich der Feigling, der sich nicht getraute, sich zu wehren oder seinen Eltern zu sagen, was tatsächlich hier passiert. Ich glaubte, dass mir niemand glauben würde, und so hat mir auch niemand geglaubt. Also habe ich nichts mehr gesagt und in der Schule buchstäblich fürchterliches erduldet. Ich hatte es ja auf eine schräge und seltsame Weise verdient, denn es musste ja ich sein, der etwas falsch machte, irgendwie zu blöd war, in diese Gesellschaft zu passen. Zweitausendein ich konnte ja niemanden sonst die Schuld geben als mir. Denn egal wohin ich ging, es war überall und in jedem Umfeld immer dasselbe. Und so habe ich angefangen, mich selbst zu vermeiden, mein Innerstes, meinen Schmerz. Ich habe mich in Logik und Wissen vergraben, mich gleichsam damit bedeckt wie mit einer schützenden Rüstung. Ich habe es letztlich vermieden, geliebt zu werden und verhinderte damit den Schmerz, wesentlich wieder verletzt zu werden. Und so kreierte ich ein Narrativ meiner selbst, eine Erzählung jemandes, der ich gerne wäre. Ich weiß, ich habe es oft sehr, sehr überzeugend dargestellt, aber das kostet Kraft und Energie, und die reicht irgendwann nicht mehr aus. Worauf das Narrativ zusammenbrechen muss, und dann wird man durchschaut. Dann reicht auch Liebe oft nicht mehr. Dann bleibt oft nur Scham und der müde Versuch, sich in Erklärungen zu verlieren, wenigstens ein wenig das Gesicht zu wahren. Und ich habe im Stillen meine unendlich laufenden, salzigen Tränen geweint, weil ich wieder jemanden, der an mich geglaubt hat, eingewoben in meine kultiviert raffinierten Worte, ins Kreuzfeuer meines inneren Krieges gezogen habe und auf dem Schlachtfeld meiner inneren Krawalle sterben ließ. Und so habe ich viele Menschen in meinem Leben damit verloren, meine eigene Erzählung aufrechterhaltend. Den Helden des Dramas weiterschreiten zu lassen, habe ich so getan, als würde mich der Verlust nicht kratzen, über den Dingen stehend, ein Held eben, der am stärksten alleine ist. Aber ich sage euch, ich habe es jedes mal wie eine Erderschütterung gespürt, ein Beben der Seele, ein trotziges Aufbegehren meines inneren, weggesperrten Jungen. Bis letztlich meine erfundene Geschichte auch von meinem eigenen Spiegel zerbrach und mich in dunkelste Abgründe warf. Die darauf folgende Einsamkeit war eine lange, schmerzhaft und tränenreich, aber heilend. Ich habe endlich Kräfte und Dinge in mir entdeckt, derer ich vordem gar nicht bewusst war. Da waren die verschiedensten Versionen von dem, was ich mir für mich erträumt habe, aber anders, als ich sie erwartet hatte. Einfacher, viel tiefer und klarer als in meiner Vorstellung. Zeit. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich Zeit mit mir selbst und meinen träumen verbracht. Zeit, Zeit, Zeit ist in diesen Jahren das Wichtigste für mich gewesen. Zeit. Einfach nur ich zu sein, war ein unendlicher Luxus, den ich mir plötzlich erlauben konnte. Denn ich hatte niemanden mehr mich, der wirklich mit mir sein wollte. Ich behaupte nicht, dass es leicht war, diese Einsamkeit durchzustehen, aber am Ende ist es ganz einfach gewesen. Ich bin irgendwie gar nicht in der Lage, mich über Prokrastinatoren lustig zu machen. Denn das hieße, mich über mich selbst und meine Vergangenheit lustig zu machen. Und obwohl ich das gerne möchte, zu zeigen, ich bin drüber weg, der Held eben. Das lässt der emotionale Zustand, den das Thema während des Schreibens gerade erzeugt, nicht zu. Die wichtigste Lektion dieser Jahre in meinem Leben letztlich geht es immer und nur dich selbst. Ja, ganz genau. Dieses verhasste kleine jungen ich da ganz tief hinten in der Seelenhöhle, das bin ich. Das war ich immer und ich werde es immer sein. Und Schritt für Schritt ließ ich ihn auch heraus. Ich habe vorsichtig mal den einen Zweitausendein, dann den anderen Zeh nach vorne gestellt, die Welt, in der ich lebe, mit neuen Augen zu entdecken. Und so habe ich mich langsam nach vor gewagt, an den Rand des Nestes, und zum ersten mal wirklich in die Tiefe und zum Horizont geschaut. Die erstaunten blauen Augen des Thomas haben Details entdeckt, die er nie für möglich gehalten hat. Und so hat der kleine Junge, der von meinem Verstand verurteilt, 50 Jahre unschuldig in der staubigen Höhle meines Narrativs verbringen musste, das erste Mal gewagt, seine Flügel auszubreiten und sich in die Tiefe fallen zu lassen. Liebe Prokrastinatoren, ihr seid die liebenswertesten Lügner der Welt. Man möchte euch umarmen, an der Hand nehmen, begleiten, beschützen und knuddeln. Und manchmal möchte man euch einfach auf den Mond schießen. Wir haben euch gern, ihr seht es nur nicht. Und wir wissen, dass ihr Lügner seid. Wir wissen es jedes Mal. Wir sind nur zu liebenswürdig, euch zu ich durchschaue dich und weiß, dass du dich wieder nur rauswindest. Die einzigen, die ihr noch anlügen könnt und die euch unbedingt glauben wollen, seid ihr selbst. Danke fürs Zuhören. Lasst mir doch ein Abo da, ein Herzchen, ein Like oder fünf Sterne und vielleicht einen guten Kommentar. Euer Thomas der gewaltigen aufgibt Blair, einer plötzlich aufkommenden Bausend, die nur mit der richtigen A meine Vergesslichkeit und solchen Engeln bewegt. Was treibt mein, weshalb ich mich dann so manifestiert?